Moleküche, 4. – Lasst sie doch.

23Jan08

Ich lasse sie machen. Ich schwinge mich nicht auf zum Verfechter einer einzigen Art zu kochen, nämlich der althergebrachten.

Ich habe nichts gegen Köche, die Neues wagen, Grenzen überschreiten, Techniken neu erfinden, neu anwenden, Änderungen in Texturen und Erscheinungsbildern schaffen.

Allerdings lasse ich mir die ganze Spielerei nicht als die alleingültige Zukunft der Küche verkaufen, die ich einfach nur nicht verstehe, wenn ich sie nicht mag.

Ganz gleich, welche Gazette ich aufschlage, welche Rezepte ich mir durchlese, ich habe immer den Eindruck, als werde Technik und Form über den Inhalt gestellt.

Dass man Champagner nicht besser machen kann, indem man ihn mit anderen Substanzen vermischt und technischen Prozessen unterwirft, habe ich im letzten Beitrag schon behauptet. Ich stehe immer noch dazu.

Beim Anblick von Juan Amadors Gänsebrust (vakuumgegart, dann kurz gebraten) läuft mir das Wasser im Munde zusammen, aber kann mir einer erklären, warum ich durch stundenlange Behnandlungen in ungewöhnliche Formen gebrachte Fruchtpürees besser finden soll als die reife, aromatische Frucht?

Nudeln, die keine sind, sondern nur deren Form aufweisen, finde ich vielleicht einmal lustig, beim zweiten Mal ist es nur noch Kindergeburtstag.

Muss ich eine Erbsensuppe dekonstruieren? Die meisten können eine solche noch nicht einmal konstruieren.

Auch teile ich nicht die hier http://www.eigenarbeit.org/molekularkueche/ beschriebenen Ängste vor der zu kleinen Portion. Ich habe nichts gegen eine grosse Zahl aufeinanderfolgender Häppchen. Ich will nur essen, nicht spielen müssen.

Übrigens, wenn die Moleküche die Zukunft ist, wie manche glauben und glauben machen wollen, was soll denn dann danach kommen?

Ich wage nicht, es mir vorzustellen.



20 Responses to “Moleküche, 4. – Lasst sie doch.”

  1. hmmmm, viele kleine haeppchen, as in tapas, mezze, antipasti!
    ich nehme da bitte auch eine ganze fuhre von, danke.

  2. Wird dein geliebter Äppelwoi besser, wenn man ihn mit „anderen Substanzen vermischt“ – z.B. mit gerösteten Zwiebeln – und „technischen Prozessen unterwirft“ – z.B. das lecker Gesöff dann einfach verkochen lässt?

    Aus Mehl, Flüssigkeit und Hefe kann man ganz einfach ein derbes Brot backen – oder winzige Minibüchtelchen mit Marmeladengeklecker (statt reifem, aromatischem, unbearbeitetem Obst) für den Kindergeburtstag, die einen Fressack dann schon mal zu einem Heiratsantrag provozieren. 🙂

    Ich habs in deinem anderen Post schon gesagt: Wenn du die Verarbeitung/Zubereitung von Lebensmitteln nicht generell ablehnst (Warum Äppelwoi, wenns auch lecker Äpfel frisch vom Baum gibt? Warum Champagner statt der unbehandelten aromatischen Trauben?), dann sind „Spielerei“ und „Kindergeburtstag“ ziemlich schwache Argumente gegen bestimmte Verarbeitungs-/Zubereitungsarten. Erbsen kannst du frisch aus der Schote essen oder weiterbehandeln – vielleicht nur knapp andünsten, vielleicht zu einer Suppe weiterkochen – aber warum sollte ausgerechnet an diesem Punkt Schluss sein?

  3. 3 fressack

    Der Apfel und die Traube beinhalten leider keinen Alkohol, also fehlt zum vollkommenen Glück doch noch etwas.
    Aber ein perfektes Produkt wie Champagner oder Äppelwoi verbessern zu wollen, funktioniert nicht.
    Und nein, natürlich gehört NICHTS in den Äppelwoi.

  4. 🙂

    Danach kommt die Astronautennahrung? Nein, das ist doch Quatsch, das setzt sich echt nicht durch, zurzeit wird halt gespielt und ausprobiert und ich finde das auch ganz nett, das zu sehen und auch mal zu probieren (wobei ich den Eindruck habe, dass Männer mehr darauf stehen – so Chemiebaukasten-mäßig?!), aber es wird sich echt nicht durchsetzen und ist daher nicht die Zukunft. Die Zukunft ist, was wir daraus machen.

    Ich hatte mal eine „Traube“, die aus Malbec, Gelatine und wasweißichwas gemacht worden war, mit Alkohol vielleicht – da wird dann aus der Traube Wein und dann aus dem Wein wieder eine Traube – eine Spielerei halt, muss ich nicht ständig haben – und so geht’s den meisten glaube ich.

  5. 5 B

    Und ich glaube, dass das was wir alle wirklich nicht brauchen, das ist, was unter dem Deckmantel ‚molekular‘ meist als die Neuerfindung des Rades dahingestellt wird.
    Mit Gelatine wird seit Jahrzehnten (Jahrhunderten?) gespielt, siehe Wackelpudding, Aggregatszustände werden beim kochen seit eh und je verändert (siehe Kartoffel/fest und Kartoffelsuppe/flüssig) und die Importanz verschiedener Texturen beim Genuss ist ja nu auch nicht gerade neu.
    Das Problem ist doch, dass gewisse PR- und Marketing-Agenturen uns ständig neue Bedürfnisse suggerieren müssen, denn sonst verdienen die Damen und Herren nix.
    Letztendlich ist Moleküche nichts Neues, jeder Koch kocht jeden Tag ‚molekular‘.
    Köche wie Blumenthal, Amador und Adria mögen vielleicht experimentell/grenzwertig kochen, doch ist es weiterhin kochen.

    Und im Übrigen ein Punkt den hier noch nie jemand angesprochen hat ist der:

    Wieviele profitabel kochende ‚Molekular-Restaurants‘ gibt es eigentlich auf dieser Welt und wie stehen diese im Vergleich zur Menge der profitabel kochenden ‚Normalo-Restaurants‘?

    1:100000? 1:1000000?? 1:10000000??? Wer bietet mehr????

  6. Ach, ein bischen Espuma ist doch ganz okay! Man mus halt die richtige Mischung finden! Und nicht übertreiben.
    Alles andre ist doch eh nur fun!

  7. @B: „Wieviele profitabel kochende ‘Molekular-Restaurants’ gibt es eigentlich auf dieser Welt“ – diese Frage führt zu nichts, da fast kein Dreisternerestaurant – egal ob molekular oder nicht – profitabel oder kostendeckend ist. McDonalds macht Gewinn, Ferran Adrià nicht.

  8. 8 B

    @Benedikt: in dem Punkt hast du recht, da muss mich kleinlaut geschlagen geben…

  9. Nehmt das Molekülzeugs doch nicht so ernst. Ab einer gewissen Preisklasse zahlt man in der gehobenen Gastronomie nicht nur für das, was aus der Küche kommt, sondern auch für die Show, die drum rum gemacht wird. Und die Show bei den Molekular-Köchen ist doch meist sensationell. Wenn ein Kellner mit Schutzbrille und Gummihandschuhen einem ein undefinierbares Bällchen aus dem Stickstoff wuchtet, dann ist das im konventionellen Drei-Sterne-Restaurant schwer zu toppen. Wenn man dann noch dem Kellner verbietet, vorher zu verraten, was er serviert, kann man bei Tisch herrliche Ratespiele veranstalten, was das denn wohl sein mag, was man auf dem Teller oder im Mund hat, wonach das schmeckt, und wer die wenigsten richtigen Antworten gegeben hat oder aus Versehen die Deko mitgegegessen hat, muss die Rechnung bezahlen. Hauptsache, bei Tisch herrscht gute Laune. Und man hat einen anständigen Wein im Glas.

  10. Gibt es denn überhaupt kostendekcende Restaurants? Egal ob molekular oder nicht?…….

  11. Der Apfel und die Traube beinhalten leider keinen Alkohol, also fehlt zum vollkommenen Glück doch noch etwas. – und das sagt jemand, der das Hohelied der aromatischen reifen Frucht, am liebsten am Stück, singt? Machst du da nicht den eigenen, höchst subjektiven Geschmack (über den sich natürlich nicht streiten lässt) zum Maß aller Dinge? Traube pur ist nicht perfekt, der Meinung deiner Zunge nach, deshalb darf die Traube aufwändigst weiterbearbeitet werden, die Mango aber nicht?

    Und nein, natürlich gehört NICHTS in den Äppelwoi
    Die Idee, ihn mit Zwiebeln zu vermischen (und mit Knoblauch außerdem), stammt aber von dir; du schreckst ja nicht mal davor zurück, Sauerkraut reinzurühren. 🙂 Andere Leute tun unschuldigem Champagner Ähnliches an, und das ist für dich vermutlich genauso o.k. – aber Schäumchen, Kristalle und Kühlung Richtung absoluter Nullpunkt nicht?
    Muss wohl männliche Logik sein. 🙂

  12. Tja was kommt nach den molekülen? Denk mal irgendeine modeerscheinung wird es schon ablösen. Wenn ich mir so denke wie es dem minigemüse ergangen ist, so gelobt und gehypt von der neuen küche. Heute findet man diese winzlinge nur noch selten.
    Ich möchte ja nicht wissen wie anno dazumal galantinen bei den gästen angekommen sind. Der gedanke schoß so durch meinen kopf als ich barbaras von der traube zu wein und wieder zurück gelesen habe.
    Ach irgendwohin entwickelt sich gott sei dank immer was. Ob es sinnvoll ist oder eine sackgasse ist wird die zeit zeigen.
    Super ansichten von der hedonistin. Mit dem alkohol muß ich allerdings fressack recht geben.

  13. 13 fressack

    Na ja, unsere Hedonistin spaltet ein paar Härchen….
    Putzig ist sie dennoch in ihrem Eifer.
    Aber jetzt wird es ernst: Der Umkehrschluss funktioniert nicht bei Äppelwoi. Man rührt das Kraut nicht dort hinein, sondern umgekehrt, und auch nur, um fruchtige Säure und eben kein Wasser ans Kraut zu bringen.
    Wenn ich ein Champagnerkraut angeboten bekomme, esse ich etwas anderes. Das ist nämlich unseriös.
    Ich bin einer von denen, die die Korkweine an die Saucen schütten und auch einen billigen Dornfelder (ausschliesslich) zum Färben einer solchen verwenden.
    – Heissa, jetzt wird die nächste Diskussion losgetreten…. –

    Ansonsten finde ich die ganze Chose hier herrlich. Wir werden im April Spass haben.
    Dazu gibt es erst am Wochenende Neuigkeiten.

  14. Der Umkehrschluss funktioniert nicht bei Äppelwoi. Man rührt das Kraut nicht dort hinein, sondern umgekehrt, und auch nur, um fruchtige Säure und eben kein Wasser ans Kraut zu bringen.
    Ahnte ich doch, dass Verhunzung von gutem Äppelwoi (für die Wirkung auf diesen dürfte es ziemlich schnurz sein, ob er ins gezwiebelte Kraut gerührt wird oder umgekehrt) was gaaaaanz anderes ist, wenn sie von dir betrieben wird. :-)))

  15. 15 fressack

    Ich sollte Dich übers Knie legen….

    Böses Mädchen!

  16. Ach, meine Neugier hat mich schon zu mancher molekularen Leckerei geführt, die ich nicht missen möchte. Der Chorizo-Schaum kürzlich war klasse auf dem Meloneneis, das Tomatenpulver letztes Jahr hingegen schmeckte genau wie ich mir einen Löffel unaufgelöste Tütensuppe vorstelle. Es lebe die Vielfalt – an Grundnahrungsmitteln und an Zubereitungsarten.

  17. Fein, fein, Louie…….Deine Ausführungen über die Molekularküche sind äußerst lesenswert!

    Halt die Ohren steif,
    Martin

  18. Ferran wurde sogar zum doctor honoris causa der Uni Barcelona ernannt http://www.elmundo.es/elmundo/2007/12/18/barcelona/1197961652.html?a=a19ffb08816dad34e2944f701c24f859&t=1201423958. Ich denke er verdient schon genügend Kohle mit der Mole-Küche. Wieviel kostet denn so ein Schäumchen im Bulli?

  19. Zorra,

    im el Bulli gibt es keine Einzelpreise. Es gibt nur ein Menu mit ca. 15-20 Gängen und es kostet ca. 200 Euro.


  1. 1 Kochen als entartete Kunst? Oder: Wir haben immer schon denaturiert | molekularkueche

Hinterlasse einen Kommentar