Moleküche, 3. – Jetzt ist es genug.

21Jan08

Gerade bei der Lektüre der lezten Ausgabe des neuen Periodikums „port culinaire“, Kornmayer Verlag, Dreieich.

Eine professionell und interessant aufgemachte Vierteljahresschrift im Buchformat, in der ehrwürdigen Tradition der „Gourmet“-Bücher. Pfiffiges Layout, schöne Bilder, seriöse Texte mit profundem Hintergrundwissen.

Und – für den anspruchsvollen Hobbykoch – Rezepte und Anleitungen für Highlights der Moleküche. Von Ralf Bos (BosFood) höchstpersönlich, einem Meister im Propagieren und Vetreiben der hierzu nötigen Produkte. BosFood ist ein Dorado für die Kochszene, ich glaube, es gibt fast nichts, was hier nicht beschafft werden könnte.

Nun also auch die Moleküche für zuhause.

Was früher der Topf mit Spaghetti Bolognese für den Küchentisch der studentischen WG, in den 80ern das Lachstatar und der exzessive Gebrauch von Crème fraîche für die Yuppieszene, in den 90ern die TexMexAsianPcificRimFusionCrossover-Küche war, ist jetzt die Molekularküche, von mir gerne Moleküche genannt.

Für die Profigastronomie mit ihrem ständigen Bedarf an Weiter- und Neuentwicklung, an Grenzüberschreitung, an Experiment und Wagnis ein fast zwangläufiger Prozess.

Spannend, Texturen zu verändern, den Gaumen und seine althergebrachten Erwartungen mit Überraschungen zu foppen. Spassig zu sehen, wie Dampfstösse aus den Nüstern geblasen werden, wenn erstmals in Stickstoff gefrorene Lebensmittel unter dem bewundernden Gelächter der Umstehenden konsumiert werden.

Grosses Oh und Ah ist sicher, wenn Espumas, Sphären und Airs kredenzt werden, die ob ihrer perfekt zelebrierten Technik vergessen lassen, dass man eigentlich nur viel Luft bzw. Gas zu sich nimmt.

Jeder Dorfgasthof, der auf sich hält, bietet nun neben dem Riesenschnitzel zumindest ein Element aus der Moleküche. Melonenkaviar kann mittlerweile bestimmt auch Pilsstuben-Erwin mit einiger Übung seinen Gästen offerieren. Ungefähr ein ähnliches Niveau wie Lohningers Spähren aus Mozzarellalake mit gefrorenem Olivenöl.

Lese ich mir jetzt aber die – durchaus seriösen und praktikablen- Rezepte von Herrn Bos und anderen durch, komme ich zu meinem ganz persönlichen Schluss:

Schluss jetzt! Es reicht.

„Champagnerkristalle“. Liest sich grossartig, wird aber hergestellt, indem man Champagner mit Sprudelwasser, Holunderblütensirup, Orangen- und Zitronensaft, Eiweiss und Gelatine vermischt, bevor man das unschuldige Getränk industriellen Prozessen unterwirft, sprich gefriert und dann zerbröselt. Holt doch „Wein“ aus dem Discounter, der ist billiger und einen Unterschied wird keiner mehr schmecken. Champagner trinke ich dann doch lieber pur, gerne aus einem weiblichen Nabel, notfalls auch aus einem Damenschuh.

Erlebnisgastronomie, wenn ich mir am Tisch aus einem Plastik(!)-Fläschchen eine Substanz in eine andere spritzen muss, um so eine so sensationelle Erscheinung wie eine Sojanudel zu produzieren. Heissa, wir klatschen in die Hände und freuen uns.

Das ist Kindergeburtstag.

Mir langts. Ich will richtiges Essen. Bratet Koteletts!

Ich zitiere Freund Michel Reich (Restaurant Wilmenrod, Königstein i.T.):

„Wir haben es doch als Kind gelernt: Mit Essen spielt man nicht.“



32 Responses to “Moleküche, 3. – Jetzt ist es genug.”

  1. Geduld, ein, zwei Jahre noch, dann ist der Spuk vorbei. Sicheres Anzeichen dafür sind die Dorf-Gasthöfe. Wenn die mit Molekül-küche beginnen, brät man anderswo längst wieder Koteletts. Mir auch eins bitte. Das war bei der nouvelle cuisine auch so.

  2. irgendwie hat die mangelnde qualität derartiger (kunst-)produkte schon auch mit der demokratisierung des molekular-küchen-trends zu tun. wenn eine küchenmode zum massenphänomen verallgemeinert wird, scheint auf dem weg in die breite einfach das notwendige wissen und können verloren zu gehen. und dann essen wir eben labbrigen, zu tode gekochten billiglachs aus großzuchten (1980er), fade, mit kokosmilch aufgehübschte antibiotika-garnelen (1990er) oder eben champagner, der mit diversen safterln niedergesüßt wurde, bevor er als kristall zerbrochen werden kann. da beißen wir auch lieber in ordentliches fleisch oder einen knackig-frischen salat. diese texturen sind nämlich unübertrefflich.

  3. Was ich erstaunlich fand. Selbst das el Bulli wird von Bos beliefert. In den 90ern traf man den Meister noch gelegentlich in der Markthalle bei Carnicas Blasi Koteletts kaufen. Vielleicht taucht er da ja bald wieder auf 🙂 Ich bin dem Blasi immer treu geblieben.

    Im Mitzwinkel heißt es:
    Ein Metzger der gute Kotletts kann, kann alles.

  4. Letztlich ist jede Lebensmittelzubereitung „Spielen mit dem Essen“ – man könnte ja auch alles roh futtern. Aber wenn du die Verarbeitung von Lebensmitteln nicht per se ablehnst, solltest du in Bezug auf einzelene konkrete Zubereitungsformen doch fundiertere Einwände bringen können als ein „Das haben wir bisher nicht gebraucht, das brauchen wir auch weiterhin nicht“.

    Also, neuer Versuch. Du kannst das sicher besser. 🙂

    (Und wozu braucht ein Kerl von echtem Schrot und Korn sowas Überkandideltes wie Champagner? Das ist die blubbersprudelnde Fortsetzung des Kindergeburtstags für Dandys. 🙂 )

  5. Ich glaube auch, dass das „back to the roots“ kochen und essen mit frischen naturnahen Zutaten als Gegenbewegung zu der Molekularküche angesagt ist, Jamie Oliver hat ja auch ein Kochbuch über Garten und artgerecht großgezogene Tiere veröffentlicht, das gut geht. Schön finde ich, dass man heute absolut aus dem Vollen schöpfen kann, jeder was er mag.

    Ach übrigens: Aus meinen Schuhen schmeckt Champagner echt nicht! Diverse französische gereifte oder besser überreife Milchprodukte hätten da vielleicht eine Chance, aber sonst möchte ich davon echt abraten… 😉

  6. 6 B

    http://www.mixology.eu/blog/drinksblog/mm-was
    http://bitters-blog.blogspot.com/2008/01/mit-essen-spielt-man-nicht-ein-nachruf.html

    Dieses Thema schlägt doch immer Wellen…habe es bei uns in den Blog gepostet, die Kollegen vom Bittersblog ebenfalls…in der Cocktailwelt gibt es ja leider auch diesen unsäglichen Trend.

  7. 7 kritzlibaer

    Handkäseschaum mit Apfelweinkaviar und kristalliner Musik?

    Nach einem Betriebsausflug in’s Amador sprach einer plötzlich vom „Schaumschläger“. Und genau das ist es: Effekthascherei. Natürlich hat auch die Moleküche so manchen uniken Geschmacksreiz hervorgebracht, aber das meiste lässt sich auf hergebrachte Weise genauso, wenn nicht gar besser erreichen. Molekularküche hat aber durchaus ihre Berechtigung. Als Partyfood.

    Apropos Koteletts. Ich bin immer noch auf der Suche nach richtig schönen, fetten Teilen. Sachdienliche Hinweise aus dem Rhein-Main-Gebiet werden gerne angenommen.

    kritzlibaer (at) web (dot) de

  8. ach nö ne, was früher für die Studierenden der Lebensmittelchemie im Hörsaal oder Labor als Späßchen gedacht war, jetzt in echt? Und Champagner aus dem Schuh? Dann doch lieber aus dem Bauchnabel, sofern ungepierct..

  9. Ansonsten: Wenn ich Essen gehe, möchte ich satt werden. Von heißer Luft bekomm ich Blähungen.

    Ein Kotelett für mich auch, bitte. Mit lecker Kartoffel und Zwiebeln.

    Ich gestehe, ich bin ein großer Fan von handfestem auf dem Teller.

  10. 10 Holgi

    Was soll ich mit nach Melone schmeckendem Kaviar? Um die Herstellung der Fischeier hat sich gefälligst der Fisch zu kümmern, der Typ in der Küche soll sie nur noch zubereiten. Und das bitteschön lecker, er ist schließlich der Koch und nicht Lebensmitteltechniker.

    Nix gegen neue Kreationen, immer nur Wiener Schnitzel sind schließlich auch langweilig. Aber das was ich zu dem Thema bisher gelesen habe erinnert mich an Formfleisch aka McNuggets und Soylent Green. Wer sowas genießen kann soll sich auch gerne Gengemüse und geklontes Fleisch auftischen lassen…

    Zum Glück gibts in meiner Gegend noch keine Köche die diesen Weg gehen – und wenn doch geh ich da nicht mehr hin.

  11. Widerspruch. Molekularküche ist kein Spuk. Sie wird nur leider nicht verstanden. Aber das wird sie nicht aufhalten. Molekulare Gastronomie befasst sich mit den wissenschaftlichen Hintergründen des Kochens. Aber in Deutschland ist das offenbar nicht gefragt, da will man lieber weiter ungestört beim Braten Poren verschließen (fressacks Lieblingsthema).

    Im Vergleich zur Oenologie fristet die Kochwissenschaft jedenfalls immer noch ein armseliges Dasein. Wer will heute ernsthaft noch Wein trinken, der mit den Füßen zerstampft wurde? Ich jedenfalls nicht. Die geradezu folkloristische Verklärung altertümlichen Kochens in Abgrenzung zur Molekularküche ist deshalb nicht wirklich ernst zu nehmen. Wem die Anforderungen an die neue Art des Kochens zu hoch sind, wird so weiter machen, wie bisher. Es wird immer Gäste geben, die das essen, und die auch gegen gepflegte Langeweile nichts einzuwenden haben. Unter den 20 besten Restaurants der Welt kochen jedenfalls schon heute die meisten auf der Basis des know hows der Molekularen Gastronomie. Das kann man doof finden oder nicht – aber es ist Fakt. Melonenkaviar, Espumas und ein paar Stickstoffgimmicks sind da jedenfalls schon längst kein besonderes Thema mehr. Da geht es um sehr viel spannendere Sachen.

    Was hier beklagt wird, hat nichts mit Molekularküche oder molekularer Gastronomie zu tun, sondern mit Effekthascherei. Wenn Ralf Bos – dem die Gourmets in Deutschland die Einführung einer Reihe von Qualitätsprodukten zu verdanken haben – heute mit Texturgebern und Geräten handelt, ist das völlig okay. Dazu kommt, dass er mit Heiko Antoniewicz einen der besten molekular inspirierten deutschen Köche als Leiter einer Seminarreihe zum Thema gewinnen konnte. Der spielt mit Juan Amador absolut in einer Liga. Das hat also schon alles Hand und Fuß. Und wenn man bedenkt, dass auch dem Kasperletheater völlig unverdächtige, traditionell orientierte Köche wie Emile Jung im Elsass auf Basis der Molekularen Gastronomie arbeiten, wird klar, dass hier kein alberner Budenzauber droht sondern lediglich durchdachter gekocht wird.

    kompottsurfer

  12. Es gibt Momente in der täglichen Kochpraxis, da ist Agar-Agar eine feine Sache und auch Natron kann sehr hilfreich sein, Ascorbinsäure statt Zitronensaft usw. usw.
    Ist das Molekularküche? – Nein, sondern nur lauter bewährte alte Hüte und nicht der Rede wert, dienen sie doch lediglich als Mittel zum Zweck, nämlich ein leckeres, nahrhaftes Gericht auf den Tisch zu bringen, das man vorbehaltlos genießen kann. Mehr Effekt als glückliche Zufriedenheit beim Essers wird nicht erwartet. Naja, satt soll man auch noch werden.
    Dies mit kaum zu beschreibenden Methoden, wie „aus der Hand würzen“ und „nach Gefühl garen“ zu erreichen, liegt in der Erfahrung und der Kreativität des Kochs/der Köchin und ist bei Gelingen für mich immer wieder ein kleines Wunder. Es schmeckt immer ein bisschen anders, aber dennoch meistens sehr gut. Aus wenigen immer gleichen Zutaten werden Tausend verschiedene Biere gebraut und Brote gebacken, Nudeln gemacht und Saucen gekocht: Langeweile kommt da nicht auf. Kochen ist etwas gänzlich anders als abwiegen und chemisch-physikalisch zusammenführen. Gutes Kochen ist große Kunst. Sobald sich Wissenschaftler einmischen, ist höchste Vorsicht geboten. Natürlich: gut zu wissen, dass Fischeiweiß ab 44 Grad C gart. Aber: ein Kunstwerk lässt sich nicht in seine Einzelteile zerlegen und beliebig neu zusammensetzen oder reproduzieren. Leute, die Praktiken wie „Denaturierung“ im Zusammenhang mit Nahrungsherstellung für legitim halten, können nicht kompetent sein, wenn es um Lebensmittel geht.
    Da lobe ich mir täglich frische Hausmannskost, z.B. die meiner Lieblingswirtin oder die Köstlichkeiten von ein paar andern guten konventionellen Köchen hier und da. Mögen all die Blumenthals und Dollases beim Treibsanddinner in der Wüstennacht ihren Champagner hacken. Wohl bekomm’s.

  13. Erst seit ein, zwei Jahren ist die, anfangs wunderbar-überraschende, Crossover-Küche halbwegs überwunden, jetzt zerfällt alles in Schäumchen, Aromen und Moleküle. Dabei wäre es wirklich Zeit für eine Rückbesinnung auf die Grundprodukte und ihren Eigengeschmack. Peter Ploog, langjähriger Chefredakteur der Zeitschrift „Essen & Trinken“ im Ruhestand, beantwortete einmal die Frage nach seinem Lieblingsessen folgendermaßen: Rohe Steinpilze, hauchdünn gehobelt, mit bestem Olivenöl und Meersalz. Da steckt alles drin. Solange wir, Gäste und Köche, uns nicht erinnern, wie großartig eine einfache Kartoffel schmeckt, solange bleibt die Molekularküche von Ferran Adrìa, Juan Amador und all den anderen großartigen, kulinarischen Wissenschaftlern, nichts weiter als unterhaltsame Zukunftsmusik, deren Töne wir erst verstehen werden, wenn wir gelernt haben Noten zu lesen.

  14. 14 fressack

    Gedanken wollte ich mir machen und eine eloquente Replik auf des Kompottsurfers Beitrag schreiben, aber Franz und Herr Paulsen haben schon fast alles gesagt.
    Dank hierfür.
    Um noch hinzuzufügen:
    Selbstverständlich verkläre ich die altertümlichen Zubereitungweisen. Ein schönes Stück Fleisch so zu würzen und zu braten, dass es herrlich schmeckt, muss (oder sogar: kann) ich nicht durch Dekonstruktion, Texturveränderung oder durch Zugabe von Hightech-Chemikalien erzeugen. Und wenn der mit den Füssen gekelterte Wein schmeckt, warum sollte ich ihn nicht trinken?
    Wer legt denn fest, wer die 20 besten Lokale der Welt sind? Und warum?
    Ein Grundwissen molekularer/physikalischer/chemischer Abläufe ist für jeden Koch unabdingbar, aber wenn die Technik zum Selbstzweck wird, ist für mich Schluss.
    Ich will keinen nur sehr schwer herzustellenden Mangokaviar, ich will eine reife, aromatische Mango, gerne auch am Stück. Und mein Kotelett.

  15. ja die molekularküche macht wie auch in anderen küchen auch nicht alles richtig und es gibt da und dort schräge vögel denen die show wichtiger als das produkt ist.
    Nur sollte man doch nicht alles verallgemeinern.
    Bei vielen speisen ist luft ein hauptbestandteil oder zumindest ein sehr wichtiger teil der konsistenz. Gefrorenes wasser mit zucker und geschmack würde glaub ich nicht so gut ankommen. Genauso bei bisquit oder sabayone………………
    Es ist nicht alles schlecht was die molekularen veranstalten.
    Ein kritischer blick sollte immer dabei sein.

  16. seh ich auch so, die sollen mal leiber zusehn, das man ueberall gut essen kann, wenn ich special effects will, gehe ich ins kino.

  17. Molekular-Küche ist die 12-Ton-Musik der Ernährung. Anders? Ja. Interessant? Durchaus. Aber berühren tut sie mich nicht.
    Ich betrachte Adria und Co. als Wegbereiter. Was die Moleküche wirklich bewirken wird/kann ,wird sich in 15 Jahren zeigen.
    Im Moment in das alles wie ein Gitarrensolo von Yngwie Malmsteen: Schau! Was! ich! Kann!
    Eigentlich nur viel (kalter) Rauch um nichts.

    Solange 5-Minuten-Terrinen und Currykings das deutsche Essen beherrschen ist diese Diskussion müßig.

  18. Im Moment IN —das soll IST heissen; aber hier kann man ja nicht editen!

  19. Cool, es geht zur Sache. Also ich esse auch gerne mal ein Kotelett. Aber muss ich deshalb gleich zum Verfechter kulinarischer Folklore werden? Herr Paulsen zitiert einen Ruheständler, der offenbar aus guten Grund Ruheständler ist, eben weil er sich nicht mehr bewegen will. Soll Herr Ploog meinetwegen bis an sein Ende rohe Steinpilze, hauchdünn gehobelt, mit bestem Olivenöl und Meersalz verspachteln, ich gönne es ihm wirklich – Hauptsache er stirbt nicht vor Aufregung bei all‘ dieser Abwechslung.

    Und was Franz zum Thema Denaturierung schreibt, also, ähm, das können Rohkostfanatiker ja so halten. Aber ich esse mein Fleisch gerne gebraten, also denaturiert. Ohne denaturiertes Kollagen kaust du jedenfalls nur auf zähem Gummi. Andere Denaturierungsprozesse tragen zur Entgiftung bei, machen Nahrungsmittel für den Menschen überhaupt erst genießbar. So viel zum Thema Kompetenz in Zusammenhang mit Denaturierung ;-). Und das gutes Kochen große Kunst ist bestreite ich auch. Gutes Kochen ist solides Handwerk. Und nicht jeder Malermeister ist gleich ein Picasso. Kochkunst fängt jedenfalls woanders an. Gagnaire, Adrià, Veyrat, Arzak, die Rocas bewegen sich in diesem Bereich – und sie alle haben beste Kontakte zur Wissenschaft. Es wird höchse Zeit, dass Kochen aus der Kleinkunst- und Bastelecke raus kommt.

    Natürlich mag man darüber streiten, wer nun die besten Köche der Welt sind. Aber wenn man die Bewertungen der wichtigsten Restaurantführer zugrunde legt, kommt schon ein halbwegs verlässliches Ranking heraus.

    Revolutionen wären keine Revolutionen, wenn sie nicht große Widerstände zu überwinden hätten. Molekulare Gastronomie ist eine Revolution. Und sie ist kein Trend sondern basiert auf Wissenschaft. Adrià und Co. lassen sich von dieser Wissenschaft inspirieren. Nicht mehr, nicht weniger. Aber sie wollen bestimmt niemandem sein Kotelett verleiden. Doppelschwör!

    Und weil Jamie Oliver als Beispiel gegen die Molekulare Gastronomie ins Feld geführt wurde, kurz noch die Anmerkung, dass Jamie ausgerechnet das Buch eines Protagonisten der Molekularen Gastronomie für das wichtigste Kochbuch überhaupt hält: On food and cooking von Harold McGee.

    Hey Leute, weg mit den cheuklappen – Molekulare Gastronomie ist wirklich ganz und gar kein Schreckgespenst, das der Menschheit die Koteletts klauen will ;-).

    kompottsurfer

  20. «Jede Innovation erscheint wie die Perversion einer ersten Perfektion» soll Auguste Escoffier einmal in seinem «Guide Culinaire» geschrieben haben. Sehr treffend, wie ich in Manfred Weber-Lamberdières Buch «Die Revolution des Ferran Adrià» gefunden habe.

    Ich mach mir nichts vor: Eine über Jahrhunderte überlieferte, einfache, ehrliche Küche mit besten regionalen, frischen und möglichst naturbelassenen Zutaten zu zelebrieren ist für mich das Höchste.

    Aber was wäre heute alles (nicht) auf unseren Tellern, ohne die vielen kleinen und grossen Revolutionen in der Gastronomie, Lebensmittelverarbeitung und Zubereitungstechnik oder der Verbreitung von Wissen in Kochbüchern, Kochshows und Foodblogs (!) und Qualitätslabels?

    Wenn hier die Rede von Chichi-Kochen ist: Abschlachten.
    Wenn hier die Rede von Haute Cuisine ist: Respekt.

    Es gibt noch viel zu kochen – rühren wirs an!

  21. Interessante Diskussion. Ist aber auch Zeit geworden 😉 Wir werden in unserem Blog uns auch noch einmal ausführlich damit auseinandersetzen. Hier aber nur kurz eine kurze Zwischenfrage zu einem Begriff, den ich überhaupt nicht verstehe: „Denaturierung“. Was ist denn Kochen anderes als Denaturierung? Ach was, eigentlich ist alles Essen schon Denaturierung. Fast alle Dinge, die wir essen (die einzige Ausnahme ist Milch), sind nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt, sondern dienen „natürlich“ anderen Zwecken. Wenn ich ein Kotelett esse, entwende ich dieses Stück Muskel seiner natürlichen Funktion. Ich denaturiere es. Und Kochen ist immer eine unnatürliche Veränderung der Struktur von Lebensmitteln, in vielen Fällen sogar auf molekularer Ebene.

  22. ich nehme ja mal an, das mit „milch“ muttermilch, bzw frauenmilch gemeint ist, denn nur die ist fuer den menschlichen verzehr bestimmt.

  23. 23 fressack

    Also ein Stück Streuselkuchen oder Apfelkuchen oder Marmorkuchen und dazu ein Glas kalte (Kuh-)Milch, lecker.
    Wer legt denn fest, welche Milch für den menschlichen Verzehr bestimmt ist?
    Ist das eine religiöse Aussage?

    Muttermilch ist mir zu süss, ausserdem schwer erhältlich.

  24. @mammal: genau: nur Muttermilch wird produziert, um den Menschen zu ernähren.

    @fressack: Nicht religiös, nicht einmal normativ, sondern schlicht durch die Tatsache bestimmt, das Menschen überwiegend menschliche Wesen zur Welt bringen und Kühe Kälber 😉 Deshalb haben die meisten Menschen auf der Welt Probleme bei der Verdauung von Milch (Laktose-Intoleranz). Aber Milch ist wohl generell das einzige Lebensmittel, das für den Genuss bestimmt ist und deshalb beim Essen / Trinken nicht zweckentfremdet wird. Du hast Recht: Muttermilch ist ein Saisonartikel und für den Verzehr von Erwachsenen nicht unbedingt gut geeignet. Deshalb ist alles Essen mehr oder weniger kreative Zweckentfremdung. Wir sind alle foodhacker 😉

  25. 25 fressack

    Yo.

  26. erwachsene brauchen ja auch garkeine milch zu trinken, ihre proteine und fette koennen sie woanders herbekommen und auch die fluessigkeitszufuhr kann man durch wahlweise wasser oder wein regulieren;-)
    mein favorisiertes allround-nahrungsmittel ist ja zb das ei, wer keine eier ist, dem entgeht was.
    und das beste, was menschen mit milch machen koennen: kaese!!

  27. isst, menno, doofes wordpress.

  28. 28 furukama

    @mammal: … d’accord. Und Käse ist nun wirklich ein sehr denaturiertes Lebensmittel. Allein diese ganzen säuredenaturierten Proteine.

  29. 29 fressack

    Wer Käse mag, soll Käse essen. Wer Milch mag, Milch trinken. (Streuselkuchen!)
    Jeder, wie er will, keiner wird zu irgendetwas gezwungen.

    Und Veganer lassen das Essen weg.


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